Am Sonntag, 1.6.2025 fanden sich etwas mehr als 40 Interessierte zu diesem Thema in der Weinhandlung „Der Schmetz“ in Gütersloh ein. Unser Vereinsmitglied

Thomas Knoche

Coach und Traumatherapeut mit eigener Praxis in Oerlinghausen, hatte einen Vortrag mit praktischen Übungen zum Thema Trauma, im Hinblick auf komplexe Traumata (Bindungs- und Entwicklungstrauma) angekündigt.

 

Nur persönlicher, innerer Frieden führt zu Frieden im Außen

so lautet Thomas‘ ureigenste Überzeugung.
Doch wie ist dieses erreichbar, wenn wir häufig nicht in der Lage sind, unsere Bedürfnisse überhaupt wahrzunehmen, zu benennen und ihnen den Raum zu geben, den sie verdienen?
Durch jahrelanges Erleben von Grundbedürfnisverweigerung in unserer frühesten Kindheit bis hin zu bereits vorgeburtlichen Erlebnissen unserer entstehenden Körper und Seelen sind wir dahin gekommen, Gefühle abzuspalten, um sie nicht mehr fühlen zu müssen. Viele von uns tragen schwere, seelische Verletzungen in Form von Vernachlässigung, emotionaler Verweigerung, Missbrauch und Gewalt in sich, die bereits in frühester Kindheit zu einer Art Dauerstress geführt haben. Der Umgang damit in der heutigen, Erwachsenen-Zeit sei nur durch unsere unbewussten Traumastrategien, die ein Überlebensmodell darstellen, überhaupt möglich. Trauma sei keine Krankheit, sondern ein möglicher Lösungsweg unserer Seele. Wir alle tragen somit unverarbeitetes Bindungs- und Entwicklungstrauma in uns. Wir vermeiden das Fühlen, um nicht an unsere Verletzungen erinnert zu werden.

 

„Wie geht es Euch?“

Von dieser Frage wurde jeder inhaltliche Abschnitt des Vortrags begleitet. Thomas lädt uns immer wieder ein, neben der kognitiven Leistung, ihm inhaltlich zu folgen, auch unsere Impulse auf der inneren Gefühls- und Sinnesebene urteilslos wahrzunehmen. Entsteht Müdigkeit, Ablehnung, Bedürfnis nach Ablenkung? Das sei ok, denn es habe tatsächlich mit dem Inhalt dieses Vortrags zu tun, auch wenn dies nicht immer jedem so klar sei. Wir dürfen unseren Impulsen nachgeben, den Raum zu verlassen, auf das Handy zu schauen, ihn doof zu finden oder uns kurz mit dem Sitznachbarn zu unterhalten, bietet Thomas an.

 

Gesunde Kindheit

Bereits vorgeburtlich können wir als kleine, entstehende Menschlein bei Zeugung, Schwangerschaft und auch während der Geburt den verschiedensten Widrigkeiten und stressbelasteten Situationen ausgesetzt werden, die sich bereits zu diesem Zeitpunkt in Form von Ängsten und Stress seelisch bei uns manifestieren. Wenn wir dann da sind, läuft es zum Teil auch nicht so perfekt: Haben wir eine entspannte, emotional verfügbare Mutter, die ihre eigenen Bedürfnisse wahrnehmen und regulieren kann,und unsere ebenso? Bekommen wir Haut- und Augenkontakt, Wärme, Sicherheit, Geborgenheit von unserer Bezugsperson und werden wir jederzeit gepflegt und genährt? Im realen Leben sieht das seit Generationen mehrheitlich anders aus. Selten ist an dieses Idealbild heranzukommen, was den jeweiligen Lebensumständen, wie Krieg, Existenzangst und anderen vermeintlichen Erfordernissen geschuldet ist. Werden die Grundbedürfnisse aus irgendwelchen Gründen verweigert, haben wir als Kinder nur die Möglichkeit zu Protest – oder zu Scham, dass wir überhaupt etwas benötigen und hier sind. Aus Kindern, die beginnen, sich selbst für „falsch“ und eine Belastung ihres Umfeldes zu halten, werden Erwachsene, die sich ihrer eigenen Existenz unbewusst schämen. Oft genug wurde uns nur dann Aufmerksamkeit zu teil, wenn wir Leistungen erbrachten. Ansonsten wurden wir oftmals nicht gesehen und haben keine Liebe erfahren, für das, was wir einfach nur SIND. Dieser Schmerz setzt sich auf Jahre in uns fort und führt zu verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten, um neuen Schmerz zu vermeiden. Wir vermeiden neue Schmerzen durch Abspaltung/Dissoziation von Gefühlen („wir wechseln ja auch die Straßenseite, wenn uns eine Gruppe Hooligans entgegenkommt“) oder wir greifen zu effizienten Ablenkungsstrategien, wie zwanghaftes Arbeiten, Gaming, Sport, sexuelle Hyperaktivitäten und ähnliches. Mit dem wir zum Workoholic, zum Extremsportler, zum Drogenabhängigen, Spiel-, Sex- oder sonstwie Süchtigen werden, fokussieren wir uns auf emotional „ungefährlichere“, Lebenszeit füllende, zum Teil Anerkennung versprechende Tätigkeiten.

 

Machtmenschen

Woher kommt die Gier nach Macht, Besitz und Geld, die einfach kein Ende findet? Diese Menschen wollen mit der Anhäufung von Materiellem und Finanziellem nie wieder mit ihren Ängsten in Kontakt kommen. Sie kompensieren ihren erlittenen Mangel durch Besitz im Überfluss und für sie gilt keine Grenze mehr. Dafür benutzen und manipulieren sie andere Menschen, wo immer es erforderlich erscheint, fordern sich selbst bis zum Äußersten heraus und erleiden nicht selten einen bedrohlichen Burn Out. Sie sind durch ihre früheren Verletzungen und Mangelzustände, dem Gefühl, klein und ohnmächtig zu sein, in einen teils skrupellosen Narzissmus geflohen. An dieser Stelle, mit diesem persönlich beklagenswerten Hintergrund, finden wir auch etliche Politiker wieder.

 

Verschwörungstheoretiker versus Politiker

Tatsächlich wachsen beide auf einer gleichgelagerten Grundlage heran. Der Verschwörungstheoretiker kennt es seit seiner Kinderzeit, benutzt, belogen, verraten, manipuliert und missbraucht zu werden. Dieses Schmerzmuster findet er nun im Außen perfekt bestätigt und er neigt dazu, sein Muster permanent zu vervollständigen, Missstände offenzulegen und anzuklagen. Der Politiker agiert wie oben, im Abschnitt „Machtmenschen“ beschrieben. Doch beide teilen sie das Los Jahrzehnte alter Seelenwunden, die sie auf ihre unterschiedlichen Weisen kompensieren.

 

Warum Gespräche über das Gendern anstrengend sein können

Diesen Aspekt stellt Thomas anhand einer eigenen Erfahrung im Chat einer Therapeutengruppe dar. Im Grunde ging es in diesem Fall um die Themen „Wut“ und „Scham“. Ein Chat-Gruppenmitglied, was von Thomas korrektes Gendern verlangte und sich selbst einer nicht-binären Identität angehörig fühlt, löste mit diesem Bedürfnis bei Thomas eine – wie er es nach gemeinsamer Bearbeitung zwischen den beiden artikulieren konnte – „moralische Scham“ aus. Er empfand auch Wut durch die empfundene Sprach-Bevormundung, aber auch das Gefühl, zu unrecht der Diskriminierung angeklagt zu werden, was nicht passend für ihn war. Diese Beschuldigung war als Scham empfindbar.
Die Person, die auf das Gendern bestand, agierte aus eigenem, jahrelangen Mangel an der Erfüllung ihres Bedürfnisses, ein ganz normaler Mensch zu sein. Die in politischen Kreisen erwünschte Möglichkeit, Pronomen zu wählen und korrektes Gendern verlangen zu können, empfand diese Person als Erleichterung, ihre jahrelange, eigene Scham durch das gruppenöffentliche Verlangen nach Statusregulierung transformieren zu können.
Anhand dieses konkreten Beispiels konnten wir Zuhörer gut nachvollziehen, dass es in der Tiefe verborgene Gefühle in uns gibt, die nach therapeutischer Arbeit sichtbar werden. Scham ist ein zutiefst spaltendes Gefühl. Wenn wir in der Lage sind, sie zu erkennen und im wertschätzenden Gespräch anzusehen, entsteht eine Heilungsmöglichkeit.

 

Realitätsverlust – woher kommt sowas?

Wenn Kinder nicht erwünscht, nicht gewollt sind, abgelehnt werden, reagieren sie innerlich unbewusst mit Scham, „trotzdem hier zu sein“. Es geht im Grunde um einen Zweifel an der eigenen Existenzberechtigung.
Scham ist eines der unangenehmsten Gefühle, sie wird in den meisten Fällen unterdrückt und abgespalten. Zurück bleibt eine namenlose Angst, die nicht zuzuordnen ist. und dies ist eine der schlimmsten, existenzbedrohendsten Ängste überhaupt  Kommt dann eine andere Angst, die einen Namen hat hinzu, und sei es eine Krankheitsdiagnose, Kriegsgefahr, Virenangst, erfährt der „Namenlos-Ängstliche“ eine Art Erleichterung, da er seine Gefühle nun endlich etwas Konkretem zuordnen kann. Er beginnt dann auch, große Aktivität im Außen aufzunehmen, um seine nun benannte Angst kanalisieren zu können.

 

Unser Gehirn

Thomas stellt uns den Querschnitt eines Gehirns vor und erklärt uns die verschiedenen Zonen. Das Frontalhirn, was unsere kognitive Leistung verwaltet, hat keine Verbindung zum Limbischen System im Stammhirn. Das Stammhirn ist weitaus schneller reaktiv, als unser Fronthirn, da es die usrprüngliche, erste Version unseres Gehirns darstellt und mit dem autonomen Nervensystem verbunden ist. Dort ist der Sitz unserer Impulse, unserer Affekte, unserer Emotionen. Wir benötigen also Techniken, um unter Umgehung des Frontalhirns Zugang zum Limbischen System herzustellen, wenn wir an alte Traumamuster herankommen wollen.

 

Praktische Übung

Die Übung war freiwillig :-). Jeder suchte sich einen Partner zum Reden und Zuhören. Die Aufgabe bestand darin, ein beliebiges eigenes Thema zu wählen, über das man sich Sorgen macht oder was Ängste hervorruft. 5 Min. lang durfte man dem Partner seine Sorgen erklären, wobei dieser aufmerksam und ohne Unterbrechung zuhören sollte. Nach einiger Zeit zum Thema als solches, sollte man darstellen, wie es einem beim Sprechen über das Thema geht, was man dabei fühlte. Danach wurden die Rollen getauscht.

Abschließend gab es noch Zeit für Anmerkungen, Fragen, Wünsche und Kritik.

Wir haben in diesen 2 Stunden wieder viel verstanden, was Thomas‘ sehr persönlicher Art und Weise der Vermittlung zuzurechnen ist.
Die Zusammenhänge zwischen unseren „kleinen“, persönlichen Fiaskos mit denen auf globaler Ebene sind deutlicher geworden.
Wir möchten mit unserem Verein an dieser Thematik dran bleiben und jede Gelegenheit ergreifen, solches Wissen kompetent in die Breite zu tragen.

Lasst uns friedenstüchtig werden!

 

Miteinander OWL sagt ein herzliches Dankeschön💝🤝 :

  • Thomas Knoche für den sympathischen und lehrreichen Vortrag
  • Nico Schmetz, „Der Schmetz“ Weinhandel & Schulungen für die ausgezeichnete Betreuung unserer Gruppe in seiner schönen Räumlichkeit
  • Michael für die technische Umsetzung, Astrid für Organisation/Moderation